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Gemäß der Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) ist die Durchführung eines Post-Market Clinical Follow-up grundsätzlich für alle Medizinprodukte vorgesehen. Es gibt jedoch bestimmte Situationen, in denen auf PMCF verzichtet werden kann, sofern dies angemessen begründet und dokumentiert wird. Unsere Vorlagen berücksichtigen die Anforderungen.
Voraussetzungen für einen Verzicht auf PMCF
Ein Verzicht auf Post-Market Clinical Follow-up ist möglich, wenn der Hersteller nachweisen kann, dass:
- Die Sicherheit und Leistung des Produkts über den gesamten Lebenszyklus hinweg bereits ausreichend durch vorhandene klinische Daten belegt sind.
- Keine neuen oder unerwarteten Risiken identifiziert wurden, die zusätzliche klinische Daten erfordern würden.
- Andere Maßnahmen der Post-Market Surveillance (PMS) ausreichen, um die kontinuierliche Bewertung der Sicherheit und Leistung des Produkts sicherzustellen.
In solchen Fällen muss der Hersteller eine fundierte Begründung für den Verzicht auf Post-Market Clinical Follow-up in seinem PMS-Plan dokumentieren. Diese Begründung sollte auch im Rahmen der klinischen Bewertung berücksichtigt werden.
Dokumentationsanforderungen
Die Entscheidung, auf PMCF zu verzichten, muss klar und nachvollziehbar dokumentiert werden. Dies umfasst:
- Eine detaillierte Begründung im PMS-Plan, warum PMCF nicht erforderlich ist.
- Eine Aktualisierung der klinischen Bewertung, die die Entscheidung unterstützt.
- Eine regelmäßige Überprüfung der Entscheidung, um sicherzustellen, dass sie weiterhin gültig ist, insbesondere wenn neue Informationen verfügbar werden.
Unterm Strich
Obwohl PMCF ein zentraler Bestandteil der MDR ist, kann unter bestimmten Bedingungen darauf verzichtet werden. Dies erfordert jedoch eine sorgfältige Bewertung und umfassende Dokumentation durch den Hersteller. Es wird empfohlen, bei Unsicherheiten Rücksprache mit der benannten Stelle oder den zuständigen Behörden zu halten, um die Konformität mit den regulatorischen Anforderungen sicherzustellen.
Klar! Für eine Brille (z. B. eine Sehhilfe der Klasse I unter der MDR) ist ein Post-Market Clinical Follow-up (PMCF) in der Regel nicht zwingend erforderlich, kann aber dennoch sinnvoll oder von Behörden verlangt werden, z. B. bei neuen Materialien, besonderen Funktionen (z. B. Blaulichtfilter), oder falls Beschwerden auftreten. Hier ist ein mögliches PMCF-Planbeispiel für eine konventionelle Brille:
Als Beispiel: Post-Market Clinical Follow-up (PMCF) Plan für Brillen
1. Produktbeschreibung
- Produktname: Korrektionsbrille „VisionPro Classic“
- Risikoklasse: Klasse I
- Zweckbestimmung: Sehhilfe zur Korrektur von Brechungsfehlern wie Myopie, Hyperopie, Astigmatismus
- Patientengruppe: Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren
2. Ziel des PMCF
- Bestätigung der Sicherheit und Leistung der Brille im realen Anwendungsumfeld
- Identifikation potenzieller unerwarteter Nebenwirkungen oder Risiken
- Bewertung der langfristigen Zufriedenheit und des Tragekomforts
3. PMCF-Aktivitäten
3.1 Kundenzufriedenheitsbefragung
- Methode: Online- oder schriftliche Umfrage 6–12 Monate nach Erwerb
- Inhalte: Sehqualität, Tragekomfort, Haltbarkeit, Hautverträglichkeit, Designzufriedenheit
- Stichprobe: min. 100 Kunden jährlich
3.2 Analyse von Rückmeldungen und Reklamationen
- Systematische Auswertung aller Beschwerden und Serviceanfragen
- Klassifikation und Trendanalyse von:
- Passformproblemen
- Allergischen Reaktionen
- Bruch der Fassung oder Gläser
3.3 Fachhändler-Interviews
- Befragung von Optikern über Kundenfeedback
- Identifikation von Problemen, die in der Praxis auftreten
3.4 Überprüfung der Literatur (falls zutreffend)
- Recherche zu neuen Erkenntnissen über verwendete Materialien (z. B. Hautverträglichkeit von Acetat, Titan etc.)
4. Datenanalyse & Bewertung
- Jährliche Zusammenfassung der Ergebnisse
- Vergleich mit bestehenden klinischen Bewertungen
- Bewertung durch Sicherheitsbeauftragten für Medizinprodukte
5. Maßnahmen bei Auffälligkeiten
- Einleitung von Korrekturmaßnahmen (z. B. Änderung des Nasenstegs bei Beschwerden)
- Aktualisierung der Gebrauchsanweisung oder des Designs bei Bedarf
- Einleitung von CAPA (Corrective and Preventive Actions)
6. Berichtswesen
- Integration in den PMS-Bericht (PMSR) gemäß Artikel 85 MDR
- Bei signifikanten neuen Risiken: Anpassung der klinischen Bewertung
Was kann ich beim PMCF falsch machen?
1. PMCF gar nicht durchführen (aber erforderlich wäre es)
- Viele Hersteller gehen fälschlicherweise davon aus, dass Post-Market Clinical Follow-up „nur für Hochrisikoprodukte“ notwendig ist.
- → Falsch: Auch bei Klasse I-Produkten kann Post-Market Clinical Follow-up nötig sein – z. B. bei neuen Materialien, Designänderungen oder innovativen Funktionen.
2. Kein Post-Market Clinical Follow-up-Plan oder völlig unzureichender Plan
- PMCF muss strukturiert sein und konkrete Methoden enthalten.
- Ein 3-zeiliger Absatz à la „Wir beobachten den Markt“ reicht nicht.
3. Post-Market Clinical Follow-up-Aktivitäten / tatsächlicher Erkenntnisgewinn
- Aktivitäten, die keine relevanten klinischen Daten liefern, wie z. B. allgemeine Kundenzufriedenheit ohne Bezug zu Sicherheit/Leistung → ungenügend.
- → Man muss gezielt Risiken, klinische Leistung und Gebrauchstauglichkeit überprüfen.
4. Keine Verbindung zur klinischen Bewertung
- Post-Market Clinical Follow-up-Daten müssen in die klinische Bewertung (Clinical Evaluation Report, CER) einfließen.
- Wenn PMCF-Daten separat „in der Schublade liegen“ → Formfehler!
5. Post-Market Clinical Follow-up-Bericht wird nicht regelmäßig erstellt
- Besonders bei Produkten der Klassen IIa–III ist ein PSUR verpflichtend.
- Aber auch bei Klasse I sollte man mind. jährlich PMCF-Ergebnisse auswerten und dokumentieren.
6. Ergebnisse ignorieren
- Wenn sich aus Post-Market Clinical Follow-up neue Risiken ergeben – aber keine Maßnahmen eingeleitet werden (z. B. Anpassung der IFU oder Designänderung), ist das ein No-Go.
7. Standard-Floskeln ohne individuelle Risikobetrachtung
- Jeder Post-Market Clinical Follow-up-Plan muss produktspezifisch sein.
- Copy-Paste-Vorlagen ohne Bezug zum konkreten Produkt werden oft abgelehnt.
8. Nicht dokumentieren = nicht gemacht
- Auch wenn man Post-Market Clinical Follow-up-Aktivitäten durchführt, zählt nur das, was nachvollziehbar dokumentiert ist.
- „Wir haben mit Kunden gesprochen“ reicht nicht – es braucht nachvollziehbare Methoden, Auswertungen und Schlussfolgerungen.
Tipp: So vermeidet man Fehler
- Post-Market Clinical Follow-up-Plan mit klaren Zielen, Methoden und Zeitrahmen aufstellen
- Aktivitäten wie Umfragen, klinische Daten, Feedbacksysteme dokumentieren
- Ergebnisse regelmäßig analysieren und in die CER sowie PMSR/PSUR einfließen lassen
- Entscheidungen und Maßnahmen (auch keine Änderungen nötig) klar begründen