
Inhaltsverzeichnis
Artikel 83 der Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) – Überwachung nach dem Inverkehrbringen (Post-Market Surveillance, PMS)
Der Artikel 83 MDR legt die allgemeinen Anforderungen an die Überwachung nach dem Inverkehrbringen (Post-Market Surveillance, PMS) von Medizinprodukten fest. Dieses System ist entscheidend, um die Sicherheit und Leistung von Medizinprodukten während ihres gesamten Lebenszyklus zu gewährleisten und kontinuierlich zu verbessern.
1. Zweck und Bedeutung der Überwachung nach dem Inverkehrbringen (PMS)
Die PMS ist ein proaktiver und systematischer Prozess, mit dem Hersteller:
- Daten über die Nutzung ihrer Produkte im realen klinischen Umfeld sammeln.
- Neue Risiken identifizieren und bestehende Risikobewertungen aktualisieren.
- Die Sicherheit, Leistung und Qualität ihrer Produkte kontinuierlich bewerten und verbessern.
- Maßnahmen zur Risikominimierung und zur Verbesserung der Produktgestaltung, -herstellung oder -nutzung ergreifen.
- Die Grundlage für die klinische Bewertung und die Aktualisierung der technischen Dokumentation schaffen.
2. Anforderungen an das PMS-System
a) Verpflichtung zur Einrichtung eines PMS-Systems
- Jeder Hersteller muss ein PMS-System einrichten, dokumentieren, anwenden, aufrechterhalten und regelmäßig aktualisieren.
- Das PMS-System ist ein integraler Bestandteil des Qualitätsmanagementsystems des Herstellers (gemäß Artikel 10 Absatz 9 MDR).
b) Systematischer und proaktiver Ansatz
- Das PMS muss systematisch, proaktiv und transparent sein.
- Es reicht nicht aus, nur auf Vorfälle zu reagieren; stattdessen müssen kontinuierlich Daten gesammelt und analysiert werden.
c) Integrierung in den Lebenszyklus des Produkts
- Das PMS-System muss während des gesamten Lebenszyklus des Produkts aktiv sein – von der Markteinführung bis zur Einstellung des Produkts.
- Erkenntnisse aus der PMS müssen in die klinische Bewertung (Artikel 61 MDR) und die Risikomanagement-Akte (gemäß ISO 14971) einfließen.
3. Inhalt und Anforderungen an den PMS-Plan
Der Hersteller muss einen PMS-Plan entwickeln, der die Umsetzung des PMS-Systems beschreibt. Der Plan muss folgende Elemente enthalten (gemäß Anhang III MDR):
Strategie und Verfahren zur Datensammlung:
- Beschreibung der Methoden zur systematischen Erfassung von Daten.
- Datenquellen können sein:
- Kundenfeedback und Beschwerden.
- Veröffentlichte Literatur und Fachberichte.
- Post-Market Clinical Follow-up (PMCF)-Daten.
- Berichte von Gesundheitsbehörden und Benannten Stellen.
Rollen und Verantwortlichkeiten:
- Klare Definition, wer für die Umsetzung und Überwachung des PMS verantwortlich ist.
- Dies umfasst insbesondere die Rolle der für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortlichen Person (Artikel 15 MDR).
Risikomanagement-Verfahren:
- Verfahren zur Bewertung der erfassten Daten in Bezug auf Sicherheit und Leistung.
- Risikoanalyse und Risikobewertung müssen regelmäßig aktualisiert werden.
Methoden zur Umsetzung von Korrekturmaßnahmen:
- Verfahren zur Ableitung von Korrekturmaßnahmen basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen.
- Dazu gehören Produktverbesserungen, Rückrufe, Sicherheitsmitteilungen oder Änderungen in der Kennzeichnung.
Integration mit der klinischen Bewertung:
- Die Daten aus der PMS müssen zur Aktualisierung der klinischen Bewertung verwendet werden.
- Die PMS-Daten bilden auch die Grundlage für das Post-Market Clinical Follow-up (PMCF).
4. PMS-Berichtspflichten nach Artikel 83
Je nach Risikoklasse des Produkts gelten unterschiedliche Berichtsanforderungen:
a) PMS-Bericht für Produkte der Klasse I
- Hersteller von Produkten der Klasse I müssen einen PMS-Bericht erstellen und bei Bedarf aktualisieren.
- Der Bericht muss der benannten Stelle oder den zuständigen Behörden auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.
b) Periodischer Sicherheitsbericht (PSUR) für Produkte der Klassen IIa, IIb und III
Für höherklassifizierte Produkte gelten strengere Anforderungen:
Für Produkte der Klasse IIa:
- Der Periodische Sicherheitsbericht (PSUR) muss mindestens alle zwei Jahre aktualisiert werden.
Für Produkte der Klassen IIb und III:
- Der PSUR muss mindestens jährlich aktualisiert werden.
- Für hochrisikobehaftete Produkte (Klasse III und implantierbare Produkte) muss der PSUR der benannten Stelle zur Prüfung und der EUDAMED-Datenbank zur Verfügung gestellt werden.
Inhalt des PSUR:
- Zusammenfassung der Ergebnisse der PMS-Daten.
- Beschreibung der Schlussfolgerungen zur Sicherheit und Leistung des Produkts.
- Beschreibung etwaiger ergriffener oder geplanter Korrekturmaßnahmen.
5. Integration von PMS in das Qualitätsmanagementsystem (QMS)
Das PMS-System muss integraler Bestandteil des Qualitätsmanagementsystems (QMS) des Herstellers sein (gemäß Artikel 10 Absatz 9 MDR).
- Die ISO 13485 (internationale Norm für QMS bei Medizinprodukten) beschreibt die Anforderungen an ein QMS, einschließlich der PMS.
- Die Erkenntnisse aus der PMS müssen genutzt werden, um:
- Produktverbesserungen vorzunehmen.
- Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen (CAPA) zu implementieren.
- Kundenzufriedenheit zu erhöhen und Beschwerden zu reduzieren.
6. Verbindung zu anderen regulatorischen Anforderungen nach Artikel 83
a) Verbindung zum Risikomanagement (ISO 14971)
- Die Daten aus der PMS müssen in das Risikomanagement integriert werden.
- Neue Risiken oder geänderte Risikobewertungen müssen dokumentiert und bewertet werden.
b) Verbindung zur klinischen Bewertung (Artikel 61 MDR)
- Die PMS-Daten liefern klinische Nachweise, die in die klinische Bewertung einfließen.
- Die Post-Market Clinical Follow-up (PMCF) ist ein Bestandteil der PMS und wird genutzt, um die klinische Leistung im realen Anwendungsumfeld zu überwachen.
c) Verbindung zur Vigilanz (Artikel 87 MDR)
- Vigilanz bezieht sich auf die Meldung von schwerwiegenden Vorkommnissen und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld.
- Die PMS ist ein frühzeitiges Erkennungssystem, das potenzielle Probleme identifiziert, bevor sie zu schwerwiegenden Vorkommnissen werden.
7. Proaktive und reaktive Elemente der PMS nach Artikel 83
- Proaktive Maßnahmen
- Aktive Datensammlung aus verschiedenen Quellen (z.B. PMCF-Studien, Anwenderfeedback, Literatur).
- Frühzeitige Identifizierung von Trends, bevor es zu schwerwiegenden Vorfällen kommt.
- Reaktive Maßnahmen
- Analyse von Kundenbeschwerden und Vorkommnissen.
- Korrekturmaßnahmen basierend auf identifizierten Problemen, wie z.B. Produktrückrufe oder Änderungen der Gebrauchsanweisung.
8. Dokumentation und Nachverfolgbarkeit nach Artikel 83
- Alle Aktivitäten im Rahmen der PMS müssen dokumentiert werden.
- Die PMS-Dokumentation muss:
- Teil der technischen Dokumentation des Produkts sein.
- Auf Anfrage den benannten Stellen oder Behörden vorgelegt werden.
Fazit zu Artikel 83
Der Artikel 83 MDR fordert die Einrichtung eines umfassenden Systems zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen (PMS), das es Herstellern ermöglicht, die Sicherheit und Leistung ihrer Medizinprodukte während des gesamten Produktlebenszyklus zu überwachen. Die PMS ist ein zentraler Bestandteil des Qualitätsmanagementsystems und eng mit anderen regulatorischen Anforderungen wie klinischer Bewertung, Risikomanagement und Vigilanz verknüpft. Hersteller müssen ein systematisches, proaktives und kontinuierliches PMS-System einrichten, das regelmäßig durch PMS-Berichte oder Periodische Sicherheitsberichte (PSUR) dokumentiert wird.